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Folgenden Text habe ich kurz nach der
Premiere meines Vordiplom-Filmes (am 14. und 15. Mai 1999 im
Filmkunsthaus
"NaTo" in Leipzig) verfasst. Die Publikumsreaktionen
am ersten der beiden Abende haben mich damals sehr aufgewühlt.
7 Jahre später fühlte ich mich durch die Diskussion um
Florian Henckel von Donnersmarcks Film "Das Leben der Anderen" wieder
an diese Vorführung erinnert.
"Ich habe eine westdeutsche Biographie, in der die Existenz der
DDR bisher kaum eine Rolle spielte. Vor ein, zwei Jahren begann
ich dann einiges
über Stasi Methoden und biografische Texte von Menschen, die
einen Bezug zur Stasi hatten, zu lesen. Das Thema interessierte
mich, nachdem ich "Was bleibt" von Christa Wolf gelesen
hatte und merkte, wie wenig ich über die Situation der Menschen
im Osten Deutschlands wusste. Ich empfand den allzu deutschen
Aktenwahn und die amtliche Verwaltung der perfieden Taten und Ideen
der Stasi als eine schreckliche Vorstellung.
Schließlich wollte ich den Eindruck, den ich mir von den
Umständen machte,
in denen viele Menschen in der DDR lebten, in Form eines
Kurzfilmes darstellen. Der Idee nach sollte die Atmosphäre
dieses Films ein Gefühl der Verunsicherung wiedergeben. Viele
Leute haben mich dann auch unterstützt und gesagt: "Es
ist doch gut, diesen Film aus einer Distanz zu
machen!"
Nun hat mich die Premiere im Filmkunsthaus NaTo in Leipzig ziemlich
aus der Bahn geschmissen. Es waren dort viele Menschen anwesend,
die ganz konkret und intensiv mit dem Stasi-Terror gelebt haben
und nach der Vorführung der Meinung waren, dass mein
Film den Kern der Sache verfehlte, und es anmaßend sei,
als 'Wessi' einen Film über ein spezifisch ostdeutsches Thema
zu machen. Bei einer anschliessenden Diskusion wurde immerhin
reichlich über
Ossi- und Wessi-Vorurteile geredet. Wenn der Film jemanden
beleidigt
hat, tut mir das leid.
Doch ich habe den Film so gedreht, dass er weder tendenziell
mitleidig noch vorwurfsvoll wirkt. Ich zeige zwei Charaktere, die
von den Aktenbergen und der Aufdringlichkeit
der Stasi verunsichert werden und die Orientierung in ihrer persönlichen
Umgebung verlieren. Die Frage nach dem 'Wer ist wer' bleibt
dabei offen. Eine 'Geisterhand' als einzige filmische Representation
des Stasiapparats
stellt
die
Frage nach den Verantwortlichen und die Unmöglichkeit deren
vollständiger Beantwortung.
Die Provokation meiner Arbeit besteht - glaube ich - in dieser
Distanziertheit und dem fast formalistischen Ansatz der Umsetzung.
Ist die 'Entfernung'
zum Thema nur brisant, weil ich jung und westdeutsch bin? - Viele
Leute in meinem Alter, schließlich auch solche, die in der
DDR aufgewachsen sind, finden den Film gut. So war der Tenor
am zweiten Abend der Vorführung mit wesentlich jüngerem Publikum
ein ganz anderer. Für mich bleibt aufgrund dieser sehr unterschiedlichen
Reaktionen ein ambivalentes Gefühl, da der
Film und überhaupt
das Vorhaben dazu bei den Leuten, von denen "feindlich negativ"
handelt, in Leipzig auf Kritik gestoßen ist."
Andreas Menn, Köln, 17. Mai 1999 |
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